Vor vier Jahren griff ich mit einer Serie von Bildern das Thema der Plakatwände in den Strassen von Bogotá auf. Ich wollte diese Wände zeigen, die – farbenfroh und low-budget –Teil der Volkskultur Lateinamerikas sind. An diesen Wänden, wo die Anzeigen täglich durch neue überklebt werden, zeigt sich ein Widerspruch zwischen der Schönheit und dem alltäglichen Grau, in dem die Menschen der Grossstadt leben. Als farbenprächtige „visuelle Verschmutzung“ bringen die Wände eine Abwechslung in die Langeweile und Routine der Menschen. Mein damaliges Projekt hiess „Anzeigen aufhängen verboten“, in Anspielung auf die visuelle Verschmutzung.
Kurz nach meiner zweiten Einzelausstellung in einer Privatgalerie in Bogotá erfuhr ich, dass diese Entwicklung in Europa und den USA bereits in den 60ern und 70ern als Teil der Pop Art Bewegung stattgefunden hatte: Viele Künstler hatten damals die farbigen Anzeigen in den Strassen auf grossen Bildern und Collagen widergespiegelt. Ich war sehr überrascht, fühlte mich aber nicht schlecht, hatte ich doch mein Projekt mit Ehrlichkeit, Common Sense und einem sozialkritischen Auge gegenüber meiner Stadt durchgeführt.
Mit dieser langen Einführung möchte ich die Absicht meiner neuen Serie von Bildern aus den Jahren 2006/07 erklären. Es geht um Graffiti, Schablonenkunst und Aufkleber in den Strassen von Bogotá. Dies ist kein Zufall, sondern eine Reflexion über den Zustand der dritten Welt. Ich bin mir bewusst, dass die „Street Art“ in der ersten Welt in den 80er Jahren entstand, und dass sie bei uns in einem Verzögerungseffekt von 20 Jahren ebenfalls aufgekommen ist. Obwohl wir inzwischen dank der Globalisierung die neuesten High-Tech-Gegenstände haben, macht unsere Gesellschaft immer noch mit grosser Zeitverzögerung Kopien oder Adaptionen von kulturellen Modellen der ersten Welt.
Allerdings ist das nicht schlimm – das Wiederaufnehmen, „Recyclen“ ist ein Charakterzug unserer Gesellschaft, der neue Interpretationen und Beiträge zur Kultur mit sich bringt. Wir sind Menschen, die sich täglich auf unkonventionelle Art und Weise durchschlagen müssen. Lustig, ich ertappe mich dabei, dass ich nun ausgerechnet in Europa solche Bilder male – mit einem Gefühl von Déja-vu.
Boris Perez (Bogotá, Kolumbien 6. Juli 1973) ist studierter Ingenieur und besitzt einen Abschluss in bildender Kunst der Universidad de los Andes in Bogota, Kolumbien. Er präsentierte seine Werke in verschiedenen Einzel- und Kollektivausstellungen und gewann Preise und Anerkennungen an bedeutenden Wettbewerben.
Boris Pérez ist von Januar bis Juni 2007 Artist-in-Residence in der Villa Sträuli in Winterthur. Boris Pérez’ Website: http://www.casacuadrada.com/borisperez