Eine Ausstellung von Ursprung dieser Ausstellung ist der Erfahrungsaustausch zwischen sieben KünstlerInnen aus Mailand und Zürich, die sich der figurativen Malerei verschrieben haben. Dabei geht es nicht zuletzt um die Frage, ob und in welcher Form sich die jeweiligen Ansätze unterscheiden. Die Italiener stammen aus einem Land mit einer jahrhunderte alten Tradition der Malerei und wurden an der Mailänder Accademia di Belle Arti di Brera, ihrerseits eine traditionsträchtige Institution, ausgebildet. Im Gegensatz zu ihnen, haben sich die Zürcher Ercan und Alex Zwalen die Malerei auf hauptsächlich autodidaktischem Wege angeeignet. Giampaolo Russo arbeitet nach dem Besuch der Mailänder Kunstakademie nun wieder in Zürich. Mit Ausnahme von zwei Künstlern zeigt die Gruppe junger Mailänder ihre Werke zum ersten Mal dem Schweizer Publikum.
Alex Zwalen greift für seine neusten Arbeiten auf die klassische Bildgattung des Stilllebens zurück, nicht zuletzt aufgrund der Auseinandersetzung mit den Stillleben Eduard Manets. Die Gemälde des Impressionisten ziehen Zwalen aus einem sehr konkreten Grund an: inwiefern gleicht der gemalte Gegenstand dem realen Gegenstand? Malerei ist für ihn ein kreativer Prozess, bei dem ein inneres Bild aktiviert wird, das aus der Dualität von innerer und äusserer Wahrnehmung besteht, wie der Künstler selber erklärt.
Grossformatige Leinwände bedeuten für Ercan Freiheit im Malen. Motiv sind Ausschnitte von Berglandschaften, die er in vergrössertem Maasstab auf die Leinwand malt. Als Vorlage dienen ihm dabei Fotografien dieser Landschaften. Mit der Vergrösserung schafft sich Ercan die Ausgangslage für seine intensive und ausgiebige Beschäftigung mit den tektonischen Begebenheiten. Dies ist es, was ihn an der Malerei interessiert, das Entwickeln der Formen und der Materialität durch den Farbauftrag und die Pinselführung. Seine Gemälde sind dick und schwer von Farbe, was ihnen den Charakter eines Reliefs verleiht und selbst zu Landschaften werden.
Giampaolo Russos Bilder entstehen in langen Sitzungen. Seine Gemälde baut er sorgfältig auf und verwendet viel Zeit auf die Auseinandersetzung mit den Einzelheiten, wie den Farben oder dem Licht. Seine aktuelle Arbeit kreist um den Versuch, die Stimmung, die herrscht, wenn er aus dem Atelierfenster blickt, als Gemälde festzuhalten. Hier kommt die Notwendigkeit der Malerei, die sie für Russo besitzt, zum Ausdruck: immer wieder übermalt er seine Kompositionen, so dass die ursprünglichen Motive oder Landschaftsausschnitte teils nur mehr schwierig zu erkennen sind, und seine Bilder eine geheimnisvolle Atmosphäre taucht.
Adriano Moneghetti bildet mit seiner Serie von zwölf Radierungen und Skizzen die Ausnahme – oder auch nicht: anhand von Skizzen fixiert er die menschliche Figur und studiert anhand weniger Striche ihre Charakteristik. Seit Beginn der Kunstakademien bildet das Zeichnen einen entscheidenden Teil im pädagogischen Programm, besonders an italienischen Institutionen, und dient der Vorbereitung zu einem Gemälde. Indem Moneghetti seine Arbeiten dem Publikum zeigt, verleiht er ihnen den Wert eines autonomen Werkes
Zentral in Luciano Evarchis Arbeit ist die Auseinandersetzung mit dem menschlichen Gesicht. Hierfür greift er auf streng angelegte linguistische Mittel zurück: das beinahe quadratische Format der Leinwand, das Portrait als Brustbild und der monochrome Hintergrund. Mit wenigen Linien hält er die Charakteristiken eines Gesichtes fest. Sein Interesse ist es, durch den Prozess des Malens der jeweiligen Persönlichkeit nachzuspüren. Seine Modelle findet er im Familien- oder Bekanntenkreis oder er verwendet als Vorlage Fotografien von berühmten Personen
Carmelo Violi findet seine Motive und Situationen scheinbar zufällig in der Wohnung vor: die halb offene Badezimmertür, eine alte Schreibmaschine oder Dosen und Schachteln. Malerei ist für Violi die natürlichste Art und Weise, gewisse Aspekte der Realität zu erkunden: die Beschaffenheit eines Materials, die Form eines Gegenstandes, der Eindruck eines unaufgeräumten Zimmers oder die Atmosphäre die entsteht, wenn das Sonnenlicht einen Raum durchflutet. Er trägt die Farben Schicht für Schicht auf der Leinwand auf, wodurch sich die jeweilige Tonalität verändert. Mit hellen Farbstrichen akzentuiert er schliesslich einzelne Details, gibt Objekten eine Form Paola Laterzas jüngste Arbeiten drehen sich um die Faszination, mit der Malerei als präzise Ereignisse in ihrem Leben festzuhalten. Wie in einem Comicstrip unterteilt sie die Leinwand in mehrere kleine Flächen. Das Ereignis kann so von verschiedenen Blickwinkeln her erzählt werden. Die verschiedenen Eindrücke werden so vervielfältigt und eine zeitliche Dauer dargestellt: die ersten sechzig Minuten am Morgen früh oder fünfzehn Minuten eines Sommergewitters. Was Laterza zur Malerei zwingt, ist das Interesse am Entstehungsprozess eines Gemäldes, von der Idee bis zum fertigen ProduktText: Chiara Argentini, Kunsthistorikerin