Das Geheimnis des «Yeti-Kalenders» besteht darin, daß man als Wandleser – denn gute Kalender hängen ja meist an der Wand – ein Jahr lang auf unnachahmliche Weise von einem graphischen und einem schriftlichen Künstler das aktuelle Jahr vor- und aufbereitet bekommt. Für 2002 hat Ralf Schlatter, der Schweizer Meister für Raum und Zeit, die Texte geschrieben, Yeti Christian Beirer hat die sogenannten Malarbeiten übernommen. Ralf Schlatter, 2001 auch ein paar Monate lang Marktschreiber von St.Johann/T mit einem Hang zur Verzauberung der Bevölkerung, hat für die Monate des Jahres 2002 einerseits Lyrik ausgewählt, die sich mit dem Zweideutigen der eindeutigen Wörter beschäftigt, andererseits gibt es Texte vom mutmaßlich letzten Tag eines Alltagshelden, von der Veränderung der Schwerkraft oder der läppischen Erkenntnis, daß ein Kanadier Formel-Eins-Weltmeister geworden ist. Der Sturz durch Raum und Zeit ist wahrlich das Kalenderthema par excellence. Und wie sich die Monate gleichen, während sie sich verändern, stellen die Geschichten das Gleiche in der Veränderung zusammen. Allein das Zusammentrümmern der Nachrichten eines Tages, und das Auftürmen des Nachrichtenmaterials für den nächsten Tag ergibt eine Unebenheit zwischen Konstruktion und Dekonstruktion, die sich entweder auf die Blaupause oder die Wirklichkeit der Kopie uneben auswirkt. Die Geschichten ächzen vor Wahrheit, weil sich die einzelnen Sätze aufbiegen wie lebendes Holz, mit dem gerade ein erzähltes Fachwerk errichtet werden soll. Ein guter Kalender hat auch eine gute Moral und eine günstige Prognose für das neue Jahr. All dies wird in Wort und Bild im Yeti-Kalender erfüllt, und sei es nur, daß eine Straßenwalze einmal über die Trasse hinausfährt und gleich das halbe Land optimistisch niederwalzt, wie es die gezeichneten Straßenwalzen vom Yeti so zu tun pflegen.
Ralf Schlatter: Im-Sturz-durch-Zeit-und-Raum. Yeti-Kalender 2002. Malarbeiten von Christian «Yeti» Beirer. Innsbruck: Yeti 2001. 15 Blätter.
special guests: ‹two princes› – pop-songs der anderen art, mit mike und martin moling